Samstag, 13. Juli 2013

Unterentnahmen vor 1999


Keine Berücksichtigung von Unterentnahmen vor 1999

  
Grundsätzlich können betrieblich veranlasste Schuldzinsen steuerlich geltend gemacht werden. Eine Einschränkung gibt es aber dann, wenn der Unternehmer so genannte Überentnahmen getätigt hat. Das ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Liegen Überentnahmen vor, können nicht alle geleisteten Schuldzinsen als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Unterentnahmen vergangener Wirtschaftsjahre ermittelt. Der Betrag, der sich dabei ergibt, maximal jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr tatsächlich angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.

Eigentlich stellt bei bilanzierenden Steuerpflichtigen das Kapitalkonto der Saldo der Über- und Unterentnahmen vergangener Wirtschaftsjahre dar. Daher war und ist unverändert strittig, ob bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen solche Unterentnahmen zu berücksichtigen sind, die bereits vor der Einführung der Regelung (vor dem 1. Januar 1999 bzw. 1. Juli 1998) bestanden haben. Die Finanzverwaltung hat dieses von Anfang an verneint. Es erfolgte wenig später eine Klarstellung im Einkommensteuergesetz im Sinne der Finanzverwaltung. Danach haben Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre unberücksichtigt zu bleiben.

Der BFH musste jetzt über die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm entscheiden. Im Streitfall machte ein Steuerpflichtiger geltend, er habe am 1. Januar 1999 ein Kapitalkonto von rund 250.000 € gehabt. Dieses Anfangskapital sei bei den Unterentnahmen zu berücksichtigen.

Dies lehnte der BFH jedoch mit folgenden Argumenten ab:

·   Die verspätete „Klarstellung“ der umstrittenen Vorschrift durch den Gesetzgeber sei geeignet und erforderlich gewesen. Man verhindere damit, dass der Unternehmer bis weit in die Vergangenheit hinein, seine Kapitalentwicklung verfolgen müsse. Hier verkennt der BFH offenbar, dass sich die Kapitalentwicklung bei Bilanzierern gerade im Kapitalkonto widerspiegelt.

·   Einnahme-Überschussrechner würden andernfalls benachteiligt, weil sie in der Vergangenheit keine entsprechenden Aufzeichnungen geführt hätten.

·   Außerdem sei die Vorschrift zweischneidig. Sie betreffe sowohl Steuerpflichtige mit einem Unterentnahmebestand als auch solche mit einem Überentnahmebestand. Dabei übersieht der BFH offensichtlich, dass gerade Steuerpflichtige, die Unterentnahmen vor dem 1. Januar 1999 getätigt haben, wesentlich schlechter gestellt werden als Steuerpflichtige, die bereits in der Vergangenheit ein negatives Kapitalkonto aufgebaut haben.

Hinweis:
Dennoch hat der BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift. Diese sind für den steuerpflichtigen Kläger jedoch nicht ausgeräumt. Deshalb hat er Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Betroffene sollten daher gegen ihre Steuerbescheide ggf. Einspruch einlegen. Vor diesem Hintergrund sollte darauf geachtet werden, dass die Bilanzen des Wirtschaftsjahre 1999 bzw. 1998/1999 aufbewahrt werden, um später das Kapitalkonto zu diesem Stichtag dokumentieren zu können.

Bei Bedarf sind wir gerne behilflich

Quelle: BFH-Urteil vom 9. Mai 2012, X R 30/06, Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BVerfG: 2 BvR 1868/12), BStBl. 2012 II S. 667